Lo siento, esta página no existe en español
Newsletter Klima-Antirepression #15 – Juni 2021
English translation follows in the next days.
Die Themenübersicht
RHEINLAND
- Bevorstehende Verhandlungen zur Ende Gelände Aktion 2019 im Rheinland
- Gerichte sind zum Essen da – am Landgericht Aachen
- Hambi9-Urteile
- Lützerath
- Update von den Rheinland7
- Prozess wegen G20-Hambachbahn-Blockade
LAUSITZ
- Neues zu den Verfahren der Lausitz23
NORDEN
- Schadensersatz für Schlachtbetrieb?
- Flensburger Räumung vom Bahnhofswald
- Kreuzfahrt-Blockade: Verfahren eingestellt
HESSEN
- Dannenröder Forst – Prozesse gegen Gefangene
SÜDEN
- Verurteilt wegen Kraftwerksblockade
SCHWERPUNKT VERSAMMLUNGEN
- Was ist eine Versammlung?
- Versammlung anmelden
- Versammlung beenden
- Unangemeldete Versammlungen
- Geplante Änderungen im Versammlungsgesetz NRW
- Eindruck machen
RHEINLAND
Bevorstehende Verhandlungen zur Ende Gelände Aktion 2019 im Rheinland
In den nächsten Wochen stehen mindestens 30 Prozesse gegen Klimaaktivist*innen beim Amtsgericht Grevenbroich an. Den Angeklagten wird Hausfriedensbruch im Rahmen der Ende Gelände Massenaktion 2019 vorgeworfen. Erste Verfahren endeten mit Einstellungen mit und ohne Auflagen, allerdings auch schon mit einer Verurteilung von 900 €. Wenige Wochen nach dem sogenannten wegweisenden Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, bleibt trotzdem alles beim Alten: Menschen die sich für eine lebenswertere und gerechtere Zukunft einsetzen werden kriminalisiert, vor Gericht gezerrt und müssen Verurteilungen befürchten, während die Verursacher*innen der Klimakrise mit Geld überschüttet werden.
Bei folgenden Prozessen freuen sich die Betroffenen über solidarische Unterstützung vor und im Amtsgericht Grevenbroich :
- 11.6. um 9:45 Uhr
- 17.6. um 8.30, 9:45 und 11:45 Uhr
- 25.6. um 8.30 Uhr
Gerichte sind zum Essen da – am Landgericht Aachen
Am 1.6.21 ist es wieder soweit. Vor dem Landgericht Aachen geht es für 2 Aktivistis wieder vor Gericht. Um 9 Uhr wird Fla von dem Küchenkollektiv „Abfallküche“ (in der 4. Runde) Widerstand und versuchte Körperverletzung im Zuge der Hambi-Räumung 2018 vorgeworfen. Im Anschluss soll es um Hausfriedensbruch anlässlich einer Besetzung des „MAZ“ in Morschenich gehen. Beide Prozesse sind öffentlich und finden im Saal A.1.010 vor dem selben Richter statt, es wird eine Kundgebung vor dem Gericht stattfinden und solidarische Prozessbegleitung ist erwünscht. Ein weiterer Prozess wegen der Hambi-Räumung findet am 2.6. um 11 Uhr vorm Landgericht Aachen statt. Die Adresse ist: Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen
Der ganze Aufruf: https://gerichtesindzumessenda.noblogs.org/post/2021/05/22/doppelte-vorfuhrung-am-landgericht-aachen/
Hambi9-Urteile
Im Januar 2018 wurden nach einer Barrikadenräumung im Hambacher Forst 9 Menschen in Untersuchungshaft gesteckt, teils über 10 Wochen. Aus den Prozessen ist nicht viel geworden, aber daran, dass jetzt noch verhandelt wurde, zeigt sich mal wieder wie langsam die Mühlen der Justiz mahlen und wie wenig am Ende doch raus kommt, bei all den großen Vorwürfen, die sie anfangs so androhen.
Vier Freisprüche gab es 2018 (AG Düren): https://abcrhineland.blackblogs.org/2018/12/06/hambi9-dueren-ein-bericht/
Das Amtsgericht Kerpen verurteilte lieber und wurde durch Landgericht Aachen bestätigt, aber auch zu einer Geldstrafe, die deutlich weniger Tagessätze als die Untersuchungshaft umfasste: https://abcrhineland.blackblogs.org/2019/06/06/hambi-9-kerpen-1-berufungstermin/
Einen weiteren Freispruch gab es dann im März diesen Jahres, weil sich einfach niemand mehr erinnern konnte – manchmal ist es also praktisch, wenn es länger dauert: https://abcrhineland.blackblogs.org/2021/03/24/freispruch-durch-erinnerungsluecken/
Lützerath
Das Dorf Lützerath ist inzwischen weitestgehend vernichtet worden, um Platz zu machen für den Klimakiller Tagebau Garzweiler. Doch diesem sinnlosen Zerstörungsprozess haben sich in den letzten Monaten und Jahren immer wieder Menschen kreativ (und corona-kompatibel) entgegengestellt; durch spontane Haus(dach)besetzungen, Baggerblockaden, Straßensitzblockaden, ungehorsame Prozessionen, Grubenkantenpicknicks uvm. Einige Menschen sind ständig vor Ort und haben längerfristige lokale Widerstandsstrukturen aufgebaut. Inzwischen bekommen immer mehr Menschen Repressions-Post wegen Geschehnissen in Lützerath. Lasst die Betroffenen nicht allein, vernetzt euch und steht solidarisch zusammen! Wenn ihr selber böse Briefe bekommt, meldet euch bei uns (AntiRRR, antirrr@riseup.net ) oder anderen AntiRepressions-Gruppen. Es gibt immer Möglichkeiten sich gegen diese Ungerechtigkeiten zu wehren! Bleibt auf dem Laufenden für kommende Gerichtstermine.
Update von den Rheinland7
Im Februar 2019 besetzen in allen drei großen Braunkohlerevieren Aktivist*innen Teile der Kohleindustrie, um gegen das Ergebnis der sog. Kohlekommission zu protestieren. Manche von ihnen wurden übertrieben lange in Gewahrsam und U-Haft gehalten, um die Preisgabe der Personalien zu erpressen, was durch die neuen Polizeigesetze möglich geworden war. Die “Rheinland 7” versuchen den damaligen 7-Tage-Gewahrsam juristisch aufzuarbeiten, haben aber zusätzlich das eigentliche Gerichtsverfahren wegen Hausfriedensbruch am Bein. In diesen Prozess wurde inzwischen eine der Betroffenen freigesprochen – Hurra! Bei drei weiteren Personen wurde die Einstellung gegen Auflagen abgelehnt.
Prozess wegen G20-Hambachbahn-Blockade
Während des G20 in Hamburg wurde die Hambachbahn über viele Stunden blockiert. Fast ein Jahr, nachdem der #Tripodprozess nach gewonnener Revision endgültig eingestellt wurde, wird am 2.7. erstmals über die zweite Phase verhandelt. Außer Störung öffentlicher Betriebe und Nötigung sind noch zwei Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte angeklagt.
AG Kerpen, 2.7., 9.30 Uhr – Publikum willkommen!
LAUSITZ
Neues zu den Verfahren der Lausitz23
Am 5. Mai fanden die ersten drei Berufungsprozesse der Lausitz23 statt, einer Gruppe von Klimaaktivist*innen, die im Kontext der Besetzung von zwei Kohlebaggern in Jänschwalde und Welzow-Süd im Februar 2019 des Hausfriedensbruches angeklagt worden sind.
Was bisher geschah: Aktion und Verurteilung in der ersten Instanz
Anlass der Baggerbesetzung am 4. Februar 2019 war der Beschluss der Kohlekomission, erst im Jahr 2038 aus der Braunkohle auszusteigen. In einer Kleingruppenaktion wurde ein Kohlebagger und Kohleinfrastruktur der Betreiberfirma LEAG in den Tagebauen Jänschwalde und Welzow Süd in der Lausitz den ganzen Tag zum Stillstand gebracht. Die 23 Aktivist*innen, die sich geweigert hatten, ihre Personalien anzugeben wurden nach der Festnahme bis zu 20 Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten und anschließend für 18 von ihnen die Untersuchungshaft angeordnet, in der sie sich unterschiedlich lange befanden.
Am 25. Februar 2019 fand das erstinstanzliche Eilverfahren am Amtsgericht Cottbus gegen drei der Aktivist*innen statt. Der Richter nannte die Absichten der Besetzenden „honorig”, verurteilte sie aber dennoch zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung. Nach der Angabe ihrer Identität wurden Nonta, Stanley und Vincent aus der Haft entlassen, es wurde Berufung eingelegt. Die Cottbusser Behörden zeigten im Fall der Lausitz23 bisher einen exzessiven Straf- und Ermittlungswillen, wie sich schon in der Begründung des Urteils 2019 zeigte, das verhängt wurde, um „den Angeklagten durch die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe vor Augen zu führen, dass man sich auf diese Weise nicht einer Bestrafung einfach entziehen kann. Es ist dabei unerheblich, welche Qualität das zugrundeliegende Delikt hat.”
Wie es nun weiterging: Berufungsverhandlung und Verfahrenseinstellung
Am 5. Mai 2021 fanden die Berufungsprozesse von Vincent, Stanley und Nonta in zweiter Instanz am Landgericht Cottbus statt. Die Verhandlung war aufgrund von Corona Beschränkungen auf wenige Teilnehmer*innen begrenzt. Vor dem Gericht fand trotz Sturm und Regen eine Kundgebung statt, um auf den Prozess aufmerksam zu machen und den drei Angeklagten Solidarität auszusprechen, sowie einen herzlichen Empfang zu bereiten. Solidarische Aktivist*innen machten am Prozesstag durch Adbusting-Aktionen, eine Kunstaktion an einer Pipeline nahe Cottbus und durch eine weitere Kundgebung in Regensburg klar, dass sie hinter den Lausitz23 stehen.
Nach wenigen Stunden im Gericht, wurde der Verfahren gegen Zahlung eines Betrags von 750 Euro jeweils zur Hälfte an die Staatskasse und Pro Asyl e.V. eingestellt: „Das Einstellungsangebot ist das Mindeste gewesen. Engagement für Klimagerechtigkeit ist wichtiger denn je. Wir werden darüber weiter auf der Straße und in der Grube verhandeln”.
Und in Zukunft?
Für die anderen 20 Aktivist*innen heißt es nun wieder auf Post von der Staatsanwaltschaft warten. Ob die Einstellung auch für sie eine Option ist, wird sich zeigen. Wir halten euch auf dem Laufenden.
Links zum Thema:
- Soli-Aktionen zum Prozess
- Spendenkampagne für die Repressionskosten
- Pressemitteilung zum Revisionsprozess
- Weitere Links zur L23
NORDEN
Schadensersatz für Schlachtbetrieb?
Im Oktober 2019 wurde der Schlachthof in Kellinghusen (Schleswig-Holstein) blockiert. Nun fordert Tönnies von beschuldigten Aktivist*innen über 16.000 Euro Schadensersatz. Die Aktivist*innen wehren sich mit juristischen Mitteln gegen die Forderungen – was alles sehr schwierig und kostspielig ist. Das Verfahren wurde aufgesplittet, d.h. es gibt für einzelne Aktivist*innen separate Prozesse in unterschiedlichen Städten – eine klare Vereinzelungsstrategie der Behörden, welche die Bewegung schwächen soll. Immer wieder sind Menschen nicht nur von strafrechtlicher Verfolgung, sondern auch von Geld- und Unterlassungsforderungen von bekämpften Konzern betroffen. Wehrt euch auch gemeinsam gegen diese Form der Repression!
https://teardowntoennies.noblogs.org/
Nächste Prozesstermine:
- 06.07.21, 11 Uhr, LG Ingolstadt , Auf der Schanze 37, 85049 Ingolstadt
- 23.09.21, 11 Uhr, LG Berlin , Littenstr. 12-17, 10179 Berlin
Flensburger Räumung vom Bahnhofswald
Im Februar wurde in Flensburg der besetzte Bahnhofswald geräumt um Platz für ein Hotel und Parkhaus zu machen. Nach vorheriger Ankündigung der Bürgermeisterin das wegen hoher Corona-Zahlen zu unterlassen wurde eine Privatarmee der Investoren tätig und erreichte schließlich auch eine polizeiliche Räumung – entgegen dem Versprechen der Bürgermeisterin. Daraus und aus Soli-Aktionen resultieren Strafverfahren gegen etwa 20 Personen wegen Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Eingriff in den Straßenverkehr sowie Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen angeblichen Verstößen gegen Coronaausgangssperren. Von denen, die lebensgefährlich einen besetzten Baum ansägten, wurden keine Personalien aufgenommen.
Artikel zum Weiterlesen:
- https://subtilus.info/2021/02/19/privatarmee-von-hotel-investor-zerstoert-besetzte-baeume-trotz-hoher-corona-inzidenz/
- https://subtilus.info/2021/02/21/never-trust-simone-bahnhofswald-wird-heute-geraeumt/
- https://subtilus.info/2021/05/11/raeumung-um-jeden-preis-nichts-ist-vorbei-bawa-bleibt/
Kreuzfahrt-Blockade: Verfahren eingestellt
Die Verfahren gegen etwa 50 Aktivist*innen, welche im Juni 2019 das Kreuzfahrtschiff “Zuiderdam” blockiert und einen Kran zum Neubau eines Kreuzfahrt-Terminals erklettert hatten, wurden jetzt fast alle eingestellt. Nur die beschlagnahmten Boote und sonstigen Materialien gab es bisher nicht zurück.
Mehr Infos: https://tkkg.noblogs.org/post/2021/05/20/verfahren-gegen-kreuzfahrtschiff-blockiererinnen-eingestellt/
HESSEN
Dannenröder Forst – Prozesse gegen Gefangene
Wegen der Waldbesetzung im Dannenröder Forst hat der Prozess gegen Ella, eine Person, die immer noch in Untersuchungshaft sitzt, begonnen und wird am 08.06., 15.06., 16.06. und 22.06. jeweils um 09:00 Uhr vor dem Amtsgericht Alsfeld fortgesetzt. Solidarität willkommen! Eine weitere Person wurde nach der Räumung im Dannenröder Forst zwischenzeitlich zu einer Haftstrafe verurteilt, unter anderem wegen tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Ihr könnt den Klarnamen unter freethemall at riseup do net erfragen, um ihm Briefe in den Knast zu schicken.
https://freethemall.blackblogs.org/
SÜDEN
Verurteilt wegen Kraftwerksblockade
In Mannheim wurde eine Person wegen einer Blockade des lokalen Kohlekraftwerks wegen versuchter Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Verstoß gegen das Vermummungsverbot zu 65 Tagessätzen a 5 Euro verurteilt – mit teils abenteuerlichen Konstruktionen des Gerichts.
https://www.ende-gelaende.org/news/solidaritaet-mit-locke/
SCHWERPUNKT: VERSAMMLUNGEN
Was ist eine Versammlung?
Wenn mehrere Menschen (je nach Bundesland auch schon ab zwei) sich unter freiem Himmel treffen, miteinander kommunizieren und sich mit Botschaften zur politischen Meinungsbildung nach außen richten, dann ist das ganze eine Versammlung. Das gilt ganz unabhängig davon, ob die Polizei oder ihr selbst das gerade so seht oder nicht. Äußerungen können dabei durch Transparente, aber auch durch Parolen oder Kreidesprüche stattfinden. Eine Versammlung kann eine Demo sein, also mit einer abzulaufenden Route, oder eine Kundgebung an nur einem Ort, oder auch ein Aktionscamp über mehrere Tage.
Manchmal ist es ganz nützlich eine Versammlung zu sein, denn das Versammlungsrecht als Grundrecht sorgt dafür dass die Polizei uns nicht einfach wegschicken kann und Menschen zu der (angemeldeten) Versammlung durchgelassen werden müssen (je nach Bundesland auch ohne Personalienkontrolle) – also lohnt es sich für den Fall ein Transparent oder ein Stück Kreide in der Tasche zu haben. Eigentlich muss die Polizei euch bei eurer Versammlung auch vor Angriffen von außen beschützen – das klappt aber gerade in linken Kontexten oftmals gar nicht oder nur nach eindringlichen Bitten.
Versammlung anmelden
Die Behörden wollen gerne, dass Versammlungen vorher angemeldet werden. Wir müssen also nicht um Erlaubnis fragen, aber sollen vorher Bescheid sagen. Für alles längerfristig geplante ist das gesetzlich so geregelt, dass eine Anmeldefrist von 48 Stunden gilt. Also 48 Stunden vor Bekanntgabe der Versammlung (z. B. durch Plakatieren, online Mobilisieren etc.) muss diese angemeldet werden bei der zuständigen Behörde. Oft ist das das Ordnungsamt, in manchen Bundesländern wie NRW auch die Polizei. Wenn ihr also eine Demo oder Kundgebung anmelden wollt, recherchiert die zuständige Behörde und schreibt denen (manchmal geht auch Mail oder Telefon, aber rechtssicher ist Fax oder Brief): “Ich zeige eine Demonstration für den X.X.2021 an von Y bis Z Uhr mit Thema A. Die Route ist wie folgt: … Die Versammlung wird geleitet von mir/Person B.” Manche Behörden haben auch Formulare für Versammlungsanmeldungen, die müsst ihr aber nicht unbedingt benutzen.
Nach der Anmeldung kann es sein, dass ihr zu einem “Kooperationsgespräch” eingeladen werdet, beispielsweise wenn die euch einen Teil eurer Route verbieten wollen. Wenn ihr darauf nicht reagiert, haben die Behörden es leichter mit Verboten durchzukommen. Wenn sie euch Auflagen erteilen (z. B. Glasflaschenverbot, nur rechte Straßenspur benutzen, Anzahl der Ordner*innen) oder die Versammlung verbieten, könnt ihr vor dem Verwaltungsgericht Klage dagegen einreichen. Kleiner Tipp: Geht nicht allein, sondern mit mehreren Personen zum Gespräch (oft geht das so, ihr könnt aber auch bei der Anmeldung unterschiedliche Personen für Anmelder*in und Versammlungsleitung angeben). Die “Gegenseite” ist meistens auch mit mehreren Beamt*innen zugegen.
Für größere Demos braucht es meistens sogenannte Ordner*innen, die durch weiße Armbinden etc. sichtbar sind. Die Ordner*innen sollen laut Gesetz die Versammlungsleitung dabei unterstützen, die Auflagen einzuhalten und den “reibungslosen Ablauf” der Versammlung zu garantieren. Dabei müssen sie aber keinesfalls selber Polizei spielen, sondern können z. B. Menschen darauf hinweisen, dass sie bitte Maske tragen, oder nicht auf die Straßenbahntrasse laufen etc. oder können auch einfach nichts machen, je nachdem wie ihr die Versammlung haben wollt. Ordner*innen mit Kommunikationskanal (WalkiTalki, Messenger) sind auch sehr nützlich wenn ihr selber einen Überblick behalten wollt, was bei einem langen Demozug vorne, hinten und dazwischen passiert.
Noch mehr Infos zum Versammlung anmelden: https://kreaktivisten.org/howtos/behoerdenkrams/anmeldung-einer-versammlung/
Versammlung beenden
Wenn ihr eine Versammlung angemeldet und durchgeführt habt, müsst ihr sie am Ende auch offiziell beenden. Dazu reicht es, einmal laut ins Mikro/Mega/die Menge zu rufen, dass die Versammlung jetzt beendet ist. Zu diesem Zeitpunkt endet die Verantwortlichkeit der Versammlungsleitung, aber leider auch der Schutz der Teilnehmenden. Wenn die Polizei den Eindruck hat, dass ihr eure Auflagen nicht einhalten könnt (weil alle Menschen eine ganz andere Route laufen als abgesprochen oder Dinge anfangen zu brennen), kann sie eure Versammlung auflösen. Das geschieht in der Regel (aber leider nicht immer) mit drei Aufforderungen als Durchsagen der Uniformierten. Anschließend müssen sich die Leute verstreuen oder nach Hause gehen, so zumindest die staatliche Hoffnung.
Wenn Teilnehmende eurer Versammlung sich von der Versammlung entfernen und Schabernack anstellen, ist das auf jeden Fall nicht mehr eure Zuständigkeit und ihr dürft dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Unangemeldete Versammlungen
Spontane Versammlungen müssen nicht angemeldet werden. Das heißt, wenn ihr beispielsweise gegen eine gerade stattgefundene Festnahme demonstrieren wollt, dürft ihr das auch ohne Anmeldung. Es gibt auch Gründe dafür etwas vorher zu planen und trotzdem nicht anzumelden; z. B. wenn wir an Orten demonstrieren wollen an denen es verboten würde (Bahnschienen, Betriebsgelände), oder weil wir nicht wollen, dass die Gegenseite sich vorbereiten kann (wo bleibt denn da die Überraschung?), oder weil wir einfach nicht um Erlaubnis fragen wollen, wann, wo und wie wir demonstrieren. Das geht auch und solche Versammlungen dürfen auch von der Polizei nicht aufgelöst werden, solange sie nicht “unfriedlich” sind. Wichtig ist nur, dass dann keine*r als Versammlungsleiter*in klar auftritt, weil die Leitung von unangemeldeten, nicht spontanen Versammlungen ist in fast allen Bundesländern eine Straftat. Wenn es keine Leiter*in gibt, haben sie Pech gehabt und können uns nicht verfolgen, auch wenn die Versammlung offensichtlich nicht spontan ist. Einzige Ausnahme: Schleswig-Holstein (dort ist die Leitung nicht strafbar, aber die Teilnahme eine Ordnungswidrigkeit).
Geplante Änderungen im Versammlungsgesetz NRW
Die meisten Regierungen mögen es nicht, wenn Menschen gegen sie protestieren. Also schränken sie das Recht auf Versammlungsfreiheit aus dem Grundgesetz durch Versammlungsgesetze ein, die dann regeln, dass eben doch nicht überall ohne Waffen demonstriert werden darf, sondern vorher Versammlungen angemeldet werden müssen, Vermummung verboten ist usw. Diese Gesetze sind mittlerweile Sache der Bundesländer. Aktuell plant NRW eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes. Wer die Gesetzesbegründung liest, wird schnell merken, dass vor allem Klimagerechtigkeitsaktivist*innen und Antifaschist*innen stören. So sollen Demonstrationen an Grubenrandstraßen von Tagebauen und auf Autobahnen aus Sicht von Innenminister Reul leichter verboten werden können. Dass die Polizei in Versammlungen nicht so eingreifen darf wie sonst im Alltag (“Polizeifestigkeit”, siehe unten), soll ausgehebelt werden, damit Betretungsverbote für Kraftwerke leichter durchsetzbar sind. Das geplante Verbot von gleichförmiger Kleidung lässt schnell an die weißen Anzüge bei Ende Gelände denken, betrifft aber auch die Warnwesten von Gewerkschaften. Auch Probeblockaden (d. h. Aktionstrainings) sollen strafbar werden um antifaschistischen Widerstand zu erschweren. Ferner sollen mit der Gesetzesnovelle Videoüberwachung und anlasslose Kontrollen erleichtert werden, die Versammlungsleitung soll bestraft werden können für Taten anderer im Rahmen der Demo und auch Ordner*innen sollen schon im Vorfeld ihre Personalien abgeben um durchleuchtet zu werden.
Durch derartige Kriminalisierungen, Verbote, Kontrollen und weiträumige Polizeibefugnisse wird es für Menschen generell weniger attraktiv bis hin zu gefährlich, sich öffentlich zu versammeln, ihre Meinung kundzutun und zu protestieren. Von Grundrechten kann hier keine Rede mehr sein.
Mehr Infos beim Bündnis gegen das neue Gesetz: https://www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de/
#VersGNRWstoppen #NoVersGNRW
Kommende Demos gegen das neue Gesetz:
- 19.06., 15 Uhr, Bochum
- 19.06., 09 Uhr, Oberhausen
- 26.06. Düsseldorf, Großdemonstration
Eindruck machen
Wenn ihr in Diskussionen mit der Polizei um euer Versammlungsrecht die meist unwissenden Beamt*innen beeindrucken wollt, hier ein paar nützliche Begriffe zum denen an den Kopf Werfen:
Polizeifestigkeit: Die Polizei darf nicht nach Polizeirecht in Versammlungen handeln, d.h. zum Beispiel keine Platzverweise oder präventiven Ingewahrsamnahmen innerhalb des Versammlungsraumes machen (soll in NRW leider geändert werden).
Brokdorf-Beschluss: Auch unangemeldete Versammlungen darf die Polizei nicht auflösen, solange sie nicht unfriedlich sind. Außerdem steht dort, dass die Veranstalter*innen über Ort und Form der Versammlung bestimmen und Protest in Sicht- und Hörweite des kritisierten Gegenstands stattfinden darf.
Fraport-Urteil: Wenn ein Gelände einem Konzern gehört, der überwiegend in staatlicher Hand ist und öffentlich zugänglich ist, darf dort auch gegen den Willen des Konzerns demonstriert werden.
Insgesamt gilt wie eigentlich immer: Bleibt zusammen, bildet Banden, lasst euch nicht einschüchtern und lasst es glitzern ;-) Wenn euch der Newsletter gefallen habt und ihr Interesse an anderen Schwerpunktthemen habt, findet ihr hier eine Übersicht aller bisherigen Newsletter mit Themen von Unterlassungserklärungen bis Verfassungsschutz: https://antirrr.nirgendwo.info/newsletter/
Antirepressionsgruppe Rheinisches Revier (AntiRRR)